TAI Chi gehört eigentlich nicht zur ARTE MARZIALE, der Kampfkunst. Dies ist leider ein weit verbreiterter Irrtum und wird häufig auch in "Fachkreisen" als solche behandelt. Diesen Irrtum möchte ich hiermit entgegentreten und meine Meinung dazu äußern!

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Im engeren Sinne ist TAI CHI eine Kunst der Selbstverteidigung. Ein Angreifen im Sinne der Kampfkunst, bei der man den Gegner "aus seiner Mitte stoßen möchte", gibt es nicht. Das Ziel eines TAI CHI Übenden ist dann nicht das Besiegen eines Gegners, sondern in EINKLANG mit seiner und der allumfassenden Energie zu sein. Falls man dann angegriffen wird, reagiert man dementsprechend, aber immer mit Sanftmut und Demut, nie mit Aggresivität. Dies kann sich auch darin ausdrücken, dass man die Straßenseite wechselt, wenn man merkt, dass die ihm entgegenkommenden Personen einem "nichts Gutes" wollen...

Das eigentliche Ziel beim TAI CHI ist das "Siegen" ohne zu "kämpfen".  Wie geht das?  Ich möchte das an einer kleinen Anekdote verdeutlichen, wie TAI CHI wirklich wirkt:

Eines Morgens befand ich mich auf meinem Weg zur Arbeit. Ich hatte zwar vor, die Straße zu überqueren, war aber noch ca. 3 m vom Bordstein entfernt. Plötzlich spürte ich von halblinks hinter mir mich mit etwas berühren. Es war wohl ein Fahrradfahrer, der unerlaubter Weise recht langsam auf dem Gehweg fuhr. Er war gerad dabei mich umzufahren. Da ich wissen wollte, was mich an meiner Schulter berührte, drehte ich mich um. Und was sah ich - so schnell konnte ich gar nicht denken - einen Fahrradfahrer, der fluchend mit samt seinem Fahrrad auf dem Boden lag. Ich hatte wohl mit einer Drehung den Fahrradfahrer mit seiner Energie mitgenommen und umgestoßen. Wenn man es so sehen will, war ich der Sieger, das Fahrrad mit seinem Fahrer der Verlierer. Wie dies genau ablief, was da genau passiert ist, weiß ich heute nicht mehr. Tatsache ist, dass ich mich dem Fahrrad gegenüber "verteidigt" habe und adäquat in vollstem Energiebewußtsein reagiert habe. ...Ob ich das auch mit einem Auto schaffen würde? ;-)...

An diesem Beispiel ist also klar zu erkennen, dass man nach langem Üben mit der Kultivierung von Energie (CHI) nicht mehr mit dem Kopf reagiert, sondern nur noch so, wie es die Situation ergibt. Dies kann sich dann im höchstem Maße so auswirken, dass das CHI so stark aufgebaut ist, dass nicht einmal etwas durch diesen "Abwehrschirm" durchdringen kann. Die letzte Ziel ist dann, was auch im Zusammenhang mit ZEN steht, so viel Energie aufgebaut wurde, dass diese sich inLIEBE umgewandelt hat. Dann ist der Übende ein Ausdruck der all umfassenden Liebe, die sich auch auf den Gegner soweit auswirkt, dass dieser einen nicht mehr "angreifen" möchte. Wir sind alle EINS ist diese Erkenntnis.

Dass es Kämpfe und auch Meisterschaften, den sogenannten Tui Shou oder push hands gibt, möchte ich nicht bestreiten oder gar verdammen. Wer das machen möchte, sollte es auch tun.

Meiner Meinung nach sollte dies allerdings nur zur freien Übung eher als Spiel und nie als Angriffkunst geübt werden! So ist es meiner Meinung nach entwickelt worden.

TAI CHI ist und bleibt eine reine Kunst der Verteidigung, also eine ARTE DIFESA, die sich eigentlich nicht der Arte Marziale verschrieben hat!

Carsten Koßwig                                                                                                                             August 2015